Chorreise nach Wilhelmshaven & Friesland vom 25.8. bis 29.8.2022
1.
In Wilhelmshaven heißt Kaiser Wilhelm „Wilhelm der Große“. Das liegt daran,
dass „SM“ 1859 dorthin kam, die Stadt gründete und ihr seinen Namen gab. Er
tat das, weil er die schwächliche deutsche Marine stark wie die britische machen
wollte und dafür einen Hafen brauchte, den er hier fand. Vor der roten
backsteinernen „Christus- und Garnisonkirche“ - wo der Chor am Sonntag, dem
28. 8., einen Gottesdienst begleitete – hatte man dem Monarchen ein Denkmal
errichtet, das die Nazis entfernten und die Nachkriegsdemokraten wieder
aufbauten. Nun steht er da, der Kaiser.
Jetzt – 2022 – war die Fahrt von Berlin an die Nordsee und zurück obendrein ein
Autobahn-Erlebnis: Bei der Hinfahrt gab es zwei Staus, und einmal musste der
Bus die Autobahn verlassen. Über Dörfer bei Oldenburg ging es weiter, und
niemand wusste, ob es klüger gewesen wäre, doch auf der Autobahn zu bleiben.
Wie auch immer: Auf dem Rückweg gab es vor Berlin gleich eine Vollsperrung, weil ein PKW zertrümmert war. Es existierte keine Ausweichmöglichkeit, und die Räder standen still. Nach etwa einer Stunde ging es weiter.
Am Auffälligsten war ansonsten, dass ständig ein unendlicher Lastwagen-Zug in beide Richtungen fuhr – wenn es eben ging. Hatte Scheuer mit seinen Maut Plänen eigentlich völlig Unrecht gehabt?
Schließlich erreichte der Bus („Bayern-Express“ hieß er witziger Weise) am Anfang der Reise doch Wilhelmshaven und am Ende Berlin. In Wilhelmshaven versammelten sich die Reisenden bald nach der „Zimmerverteilung“ um 18 h im Restaurant „CaOs“, das „Am Großen Hafen 1“ liegt. Da war ein Buffet aufgebaut, und die hatten dort Stühle mit Rädern unten dran. Das war sehr lustig, und das Essen sollte das beste der ganzen Reise bleiben.
Um 20 h stand obendrein das „Küstenmuseum“ in der „Weserstraße 58“ auf dem Programm. Das war so eine Art Heimatmuseum, und ein Guide gab sich alle Mühe, die Sänger:innen (!) und ihre Gäste nach der langen Fahrt noch zu erreichen.
Gegen 22 h fielen alle in die Betten.
2.
Am ersten Tag im Hotel, einem Freitag, musste - wie an den folgenden Tagen auch - das Frühstück bis 9 h eingenommen sein. Der Bus stand 9:15 h vor der Tür, und ab ging es zum Hafen von Neuharlingersiel. Das ist ein alter Fischerhafen, und mit dem Kutter „Gorch Fock“ fuhren die Gäste hinaus auf die See. Früher, sagte der Bootsführer (oder war es der Kapitän?) habe man mit diesem Kahn Krabben gefangen; heute würden eben Touristen aufs Meer geschippert. Der Kutter fuhr an die vorgelagerten Inseln Spiekeroog und Langeroog heran, und die Passagiere konnten sehen, wie sich an der Küste von Langeroog auf einer Sandbank viele, viele Seehunde aalten. Ab und zu ging ´mal einer ins Wasser – wahrscheinlich, um Fisch zu fressen. Davon brauchen die ´ne Menge, erklärte der „Kapitän“. Das Boot aus Neuharlingersiel dagegen interessierte die Tiere offensichtlich nicht sehr. Die Menschen in der schwimmenden und schaukelnden Nussschale nahmen das nicht krumm, denn neben den Seehunden waren auch Vogelschwärme zu sehen. – Auf der Fahrt zu den Seehunden fing der Kutter mit einem Netz Meerestiere. Ein Matrose holte das Getier ein, warf Quallen usw. sofort wieder ins Wasser und führte dann die gefangenen Krebse, Fische und sonstigen Meeresbewohner den Gästen einschließlich jeweiliger Geschlechtsbestimmungen vor. Die Krabben bezeichnete er als „Gold“, und deren Weibchen seien größer als die Männchen. Anschließend warf er alle Tiere wieder ins Meer. Zur Kutterfahrt gehörte darüber hinaus die Belehrung, dass man 3 bei den Ausflügen die Gezeiten berücksichtigen müsse, und dann war nach 2 Stunden Schluss mit der Seefahrt.
Nach der Kutterfahrt ging es nach Harlesiel. Dort – direkt am Meer – gab es erst einmal ein Süppchen und dann erfolgte eine „Gruppeneinteilung“: Die erste Gruppe traf sich mit einer „Wattführerin“ für eine Strandwanderung durch Salzwiesen und Watt. Die andere Gruppe sollte eine Ortsbesichtigung vom Raddampfer aus machen, doch der Raddampfer fuhr nicht. Dafür ging es mit einem „Straßenbahn“ genannten Gefährt und danach per Pedes in den Ort. Die Wattwanderer waren in der Mehrheit und hatten offenbar viel Freude. Die anderen schlenderten über eine Art Wochenmarkt, und gegen 17 h war „Wiedervereinigung“.
Weiter ging es nach Hohenkirchen, um die „St.Sixtus und Sinicius-Kirche“ zu besuchen. Sie steht auf einer kleinen Anhöhe, ist gut getarnt und soll früher Schutz geboten haben vor Hochwasser und dem Angriff böser Menschen. Zurück in Wilhelmshaven versammelten sich die Reisenden im „Seglerheim“ am Nassauhafen in der „Schleusenstraße 23“. Hinterher gingen viele schlafen. Andere ließen den Tag bei Wein oder Bier ausklingen.
3.
Am Sonnabend stand vormittags Jever auf dem Programm. Dort fand eine Schlossführung statt, und die Gäste bestaunten vor allem die neuzeitlichen Repliken bekannter Gemälde, auf denen die dargestellten Personen Donald-Duck-Schnäbel hatten. Das hatten sich Kunststudenten ausgedacht, um nicht in Plagiatverdacht zu kommen. Hier nun – einem ehemaligen Schloss der Oldenburger – gastierte diese Ausstellung gerade. Anschließend war „Freizeit“. Anfangs bestaunten die Gäste ein Glockenspiel mit diversen Figuren, danach war der Markt von Jever freigegeben. In irgendeinem Café oder Restaurant fand jede und jeder ein Plätzchen, um sich zu stärken. Weiter ging es zum Kurhaus in Horumersiel, wo der Chor aus Berlin und der nur aus weiblichen Mitgliedern bestehende „Stadtchor“ ein eintrittsfreies Konzert gaben. Die Damen aus Jever waren etwa halb so alt wie die aus Berlin und – rot grün-gelb – bunt gekleidet; die Berliner waren in Schwarz erschienen und trugen türkisgrüne Schals.
Anschließend trafen sich beide Chöre mit ihren Gästen in einem Aussichtsrestaurant direkt an der Küste. Die Chöre mischten sich, aber das Restaurant mit nur einer Kellnerin konnte den Andrang nicht bewältigen, und so wartete manch eine(r) stundenlang aufs Essen. Das machte aber nichts, denn Elke z.B. saß eingerahmt zwischen einer anderen Elke und einer friesischen Maren am Tisch und unterhielt sich angeregt. Allmählich wurde es dunkel. Der Bus fand trotzdem den Weg zurück ins Hotel in Wilhelmshaven.
4.
Am letzten Tag an der See, einem Sonntag, wurde es richtig maritim. Es begann mit einer einstündigen Stadtrundfahrt durch Wilhelmshaven (also „WHV“). Dabei wurde klar, dass die Stadt jung ist und dass das Meer eine wichtige Rolle spielt. Das liegt auch daran, dass der Jadebusen so tief ist und große Schiffe – im Unterschied zu Bremen und Hamburg – hier noch fahren können. Hamburg und Bremen hätten immer versucht, Wilhelmshaven klein zu halten, aber nun ginge das nicht mehr. Aus Berlin käme mehr und mehr Rückenwind für „WHV“, und Hannover - also das Land Niedersachen – würde an diesem Ort kräftig investieren. Man konnte dann sehen: Es gibt hier auch zivile Wirtschaft, aber die Bundesmarine ist ganz klar die „Nummer eins“. Sie beherrscht die Stadt und - was fast das Gleiche ist – den Hafen. Da liegen auch Kriegsschiffe, und es gibt viele Liegenschaften, bei denen für Zivilisten der Eintritt verboten ist.
Die Seele von „WHV“ offenbarte sich in der „Christus- und Garnisionkirche“. Der Chor aus Berlin war – wie berichtet - in den Gottesdienst eingewoben, die Kirchenbänke tragen Marinenamen, und an den Wänden befinden sich Tafeln von auf See gefallenen Marinesoldaten und -offizieren. Im Gemeindehaus gab es hinterher Tee, Kaffee und Gebäck – alles sehr evangelisch und preußisch. Danach durften die Chormitglieder und ihre Gäste am „Südstrand“ baden, ins Aquarium gehen oder das Marinemuseum besuchen. Geregnet hatte es zwar nicht, aber zum Baden war es doch zu frisch, und so steckte jedenfalls Elke nur ihre Füße in die Nordsee.
Es folgte eine einstündige Hafenrundfahrt mit einer Barkasse, die man aus Hamburg hierher gebracht hatte. Der einheimische Schiffsführer war krank, und so kam ein Vertreter ebenfalls aus Hamburg angereist. – Auf der Rundfahrt konnte man weitere Schiffe - darunter zivile - sehen. Sie lagen teilweise auf dem Trockendock. Auch Kriegsschiffe wurden überholt. Hier also will die Bundesmarine weiterhin zu weltweiten Einsätzen starten: Ahoi!
Schon war die Reise vorbei! – Oder?...
…Nein, eine Überraschung gab es noch: Nach dem Abendessen im Hotel erschien ein Shantie-Chor, besetzt mit überwiegend älteren Herren. Zuvor und derweil servierten Asiaten Matjes, Schnitzel, Jever-Pils oder Riesling. Das Hotel Restaurant war nämlich für diesen Abend vermietet. „Das machen die hier immer so!“, war zu erfahren. Aber der Shantie-Chor bestand aus echten „WHV-Jungs“. Er verbreitete Stimmung und war nur durch einen vollgedeckten Tisch mit frisch gezapften Bieren zu bremsen.
Ahoi!!
5.
Am Montag ging es zurück nach Berlin. Die Autobahn war zwar gut frequentiert aber frei, und so kam der Bus – vorbeifahrend an einer Endlosschlange von Lastwagen – gut voran. In einem überfüllten Autobahnrestaurant gab es eine Rast, und dann kam die bekannte Route: Helmstedt, Magdeburg, Brandenburg. Da blieb der Bus plötzlich stehen. Alles stoppte. Die Feuerwehr hatte abgesperrt. Die Räder standen still. Dann rollte es wieder – erst langsam und holprig, vorbei an einem demolierten PKW, und schließlich kam der Bus am Melanchtonplatz in Berlin-Spandau an und brachte anschließend die restlichen Chormitglieder in die Herthastraße in Charlottenburg.
Das war's!
Jürgen Dittberner / September 202